OIDAMONIA
Vor Kurzem war ich beim Podcast des Philosophen Marcel Ohrenschall zu Gast, der sich mit der Frage auseinandersetzt was uns Menschen eigentlich wirklich glücklich macht.
Wir hatten einen sehr sehr intensiven Philo-Talk über verschiedenen Themen, auch den Sport. Es gilt das Motto: Mal reinhören!
Zum Podcast geht’s hier.
Ein sehr empfehlenswertes Buch zum Thema Boxen und vielen Philosophischen Ansätzen findest Du hier.
Viel Spaß beim Philosophieren!
ROMAN HORSCHIG
Roman Horschig arbeitet mit absoluter Leidenschaft als Sportkommentator, Stadionsprecher und Moderator in ganz Deutschland. Mit seinem großen Enthusiasmus für den Sport macht er auch Ihr Event zu einem absoluten Erlebnis. Versprochen.
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DER BEKANNTE UNBEKANNTE
Mit freundlicher Unterstützung von Tim Yilmaz und dem Mariposa Boxing Club
London, März 2020. Es ist die Pressekonferenz für einen weiteren spannenden Schwergewichts Clash. Die Manager, Promoter und Kämpfer sitzen wie immer oben auf der Bühne um Fragen der Journalisten nach bestem Gewissen zu beantworten. Einer aus der illustren Runde sticht besonders heraus. Er hat einen Hut auf und stets ein schelmisches Grinsen im Gesicht. Alles in allem wirkt er, als hätte er nicht wirklich Lust auf diese Presseveranstaltung, sondern würde lieber gleich zum Faustkampf übergehen. Im Verhältnis zu dem, was er als Boxer geleistet hat wirkt er schon fast unscheinbar. Die Rede ist von Oleksandr Usyk. Einem der erfolgreichsten Amateurboxer in der ukrainischen Geschichte, Weltmeistertitel und einen Olympiasieg mit inbegriffen. Und einem der erfolgreichsten Cruisergewichtler aller Zeiten im Profi Zirkus. Letztes Jahr hat sich der Ukrainer entschieden, eine Gewichtsklasse nach oben zu gehen, in das im Rampenlicht stehende Schwergewicht. Er will die ganze Großen herausfordern und Titel gewinnen. Die spannende Frage an dieser Stelle lautet: Kann der technisch versierte Ukrainer wirklich gegen die Elite der Königsklasse bestehen? Wie gut ist der jetzt schon legendäre Usyk wirklich?
RUHM UND EHRE
Die olympische Goldmedaille ist immernoch mein größter Erfolg. Ich habe viele Gürtel, aber ich habe nur einmal Gold.*
Oleksandr Oleksandrovych Usyk wird am 17. Januar 1987 in Simferopol geboren. Der Ukrainer ist zunächst fußballbegeistert und wechselt erst im Alter von 15 Jahren zum Boxsport. Schon im vierten Jahr seiner Boxkarriere holt er Bronze bei den Europameisterschaften, allerdings noch im Mittelgewicht. Schon zwei Jahre später reicht es zu Gold im Halbschwergewicht, allerdings geht er bei den olympischen Sommerspielen in Peking leer aus und verliert gegen Clemente Russo im Viertelfinale. Gegen denselben Clemente Russo zieht dann auch ein gewisser Deontay Wilder im darauffolgenden Halbfinale den Kürzeren. Die Niederlage steckt Usyk allerdings in beeindruckender Manier weg und holt sich 2011 den Weltmeistertitel im Schwergewicht und gewinnt ein Jahr später auch die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in London. Im Finale revanchiert er sich bei Russo für die Niederlage vier Jahre zuvor. Nebenbei erkämpft er sich in der World Series of Boxing eine lupenreine Bilanz von sechs Siegen und demontiert unter anderem den heutigen Schwergewichts Prospekt Joe Joyce. Usyk, dessen Spitzname die Katze ist, verlässt die Amateure mit der unglaublichen Bilanz von 335-15.
* Alle Zitate zu Beginn eines jeden Abschnitts sind von Oleksandr Usyk
Usyk gewinnt Gold in London 2012
SPEEDY GONZALEZ
Es ist mir egal wo ich kämpfe.
Usyk wird im Alter von 26 Jahren Profi im Cruisergewicht und rollt das Feld auf, wie kaum ein anderer Boxer vor ihm. Bereits in seinem zehnten Kampf stellt sich die Katze einem amtierenden Weltmeister, dem in 26 Kämpfen ungeschlagenen Polen Glowacki. Für den ein Jahr älteren Mann aus Walcz, ist es bereits die dritte Titelverteidigung seines WBO-Titels. Doch Oleksandr Usyk ist eine Nummer zu groß für seinen polnischen Kontrahenten. Unglaubliche Beinarbeit, schnelle Führhände die rausfliegen als gäbe es kein Morgen und ein Verständnis von Distanz das seinesgleichen sucht, das alles ist zuviel für Glowacki. Usyk entführt den WBO-Weltmeistertitel vor gegnerischer Kulisse, er gewinnt klar nach Punkten. Der aufstrebende Ukrainer ist damit am 17. September 2016 das erste Mal Weltmeister bei den Profis. Doch ein Titel ist für den tänzerisch begabten Usyk natürlich noch lange nicht genug. In seinem elften Profikampf und gleichzeitig seinem Debüt in Amerika dominiert Usyk den Südafrikaner Thabiso Mchunu. Der Kampf wird nach dem dritten Knockdown in Runde neun abgebrochen. Bereits zu diesem Zeitpunkt schickt der Ukrainer die ersten Kampfansagen an den Schwergewichts Krösus Anthony Joshua. Beide Männer haben in London 2012 Gold gewonnen, ein Duell wäre ein Traum für alle Boxfans.
Doch vorher hat der 1,90 Meter große Ukrainer noch einiges im Cruisergewicht vor. Und als nächstes wartet mit Michael Hunter auch ein extrem starker Kontrahent auf Usyk. Der Amerikaner und ehemalige Olympiateilnehmer hat als Profi zu diesem Zeitpunkt eine lupenreine Bilanz von zwölf Siegen in zwölf Gefechten, die Spannung liegt beim Kampf in Oxon Hill in der Luft. Trotz starkem Beginn von Hunter hat Usyk das Geschehen mit jeder Runde mehr im Griff und gewinnt am Ende deutlich nach Punkten. Schon vor diesem Kampf hat er sich von seinem langjährigen Trainer James Ali Bashir getrennt und arbeitet mit Anatoly Lomachenko zusammen. Der Ukrainer mit dem einzigartigen Humor will es jetzt endgültig wissen. Er will die anderen Weltmeister boxen und die Titel im Cruisergewicht vereinigen. Und da wird plötzlich die Muhammad Ali Trophy oder auch World Boxing Super Series genannt ins Leben gerufen.
Die besten acht Cruisergewichtler der Welt kämpfen in einem Turnier im K.O System um alles. Der Sieger ist unumstrittener Weltmeister im Cruisergewicht, heißt auf gut Deutsch: Drei Kämpfe auf dem Weg zu großem Ruhm und Ehre. Als seinen ersten Gegner wählt Usyk den Deutschen Marco Huck aus. Der ehemalige Weltmeister aus Berlin scheint die leichteste Aufgabe für den leichtfüßigen Ukrainer. Am 9. September 2017 treffen die beiden in in der Max-Schmeling-Halle in Berlin aufeinander und Usyk demontiert den Deutschen vor eigenem Publikum. Huck zeigt Kämpferherz, doch aufgrund klarer Dominanz und boxerischer Überlegenheit von Seiten Usyks bricht der Ringrichter den Kampf in der zehnten Runde ab. Wie immer versetzen Usyks Geschwindigkeit und seine katzenartigen Bewegungen das Publikum ins Staunen.
Quelle (ebenso Titelbild): wikimedia.org – Andriy Makukha
LEGENDENSTATUS
Ich bin kein Monster, ich bin ein weißer Hase.
Was dann folgt ist Usyks härtester Kampf seiner bisherigen Profikarriere. Gegen den Letten Mairis Briedis, in 23 Gefechten ungeschlagen, muss der Ukrainer über die volle Distanz. Die beiden schenken sich wirklich gar nichts, doch am Ende sehen die Punktrichter ihn knapp vorne und der überglückliche Mann aus Simferopol zieht ins Finale der Super Series ein. Durch seinen Sieg gegen Briedis schnappt er sich nebenbei auch den WBC-Gürtel. Allerdings nur eine Randnotiz, denn im darauffolgenden Finale steht erneut alles auf dem Spiel. Usyk will mit einem Sieg der erste unumstrittene Boxweltmeister aller vier Verbände aus der Ukraine werden. Der Rechtsausleger zieht sich für eine intensive Vorbereitung ins Olympic Village in Kiew zurück und zeigt im Finale die vielleicht beste Performance seiner Profikarriere. Wieder im Heimatland seines Gegners, besiegt Usyk den ungeschlagenen Russen Murat Gassiev ganz klar nach Punkten. Er ist am Gipfel im Cruisergewicht angekommen, als unumstrittener König. Dazu kommt, dass er all seine Gegner während des Turniers in ihrem Heimatland geschlagen hat. Zu diesem Zeitpunkt ist er erst der vierte Boxer überhaupt, der alle vier Weltmeistergürtel in einer Division vereinigt. Usyk wir so geschätzt, dass sogar eine Rückkehr der Boxlegende Andre Ward diskutiert wird, doch der Kampf zwischen den beiden findet nie statt.
Seine erste Titelverteidigung bestreitet der unumstrittene Champion dann gegen den Engländer Tony Bellew in Manchester. Am 10. November 2018 knockt er den Mann aus Liverpool mit einer knallharten Links-rechts-Kombination aus. Der Kampf ist zuvor überraschend eng, auf den Punktzetteln liegt der Ukrainer zum Zeitpunkt des Knockouts sogar knapp hinter Bellew. Nach diesem Sieg wird er vom hoch angesehen Sportsender ESPN zum Fighter des Jahres gewählt.
Usyk gewinnt Muhammad Ali Trophy
DER STEIN IM WEG
Meine Mutter sagte mir ich soll Englisch lernen. Ich sagte: Ich werde Cowboy also soll ich Englisch mit meinem Pferd sprechen? Sie sagte: Du musst es trotzdem lernen, mein Schatz. Ich habe nicht auf sie gehört.
Nach diesem Kampf trifft Usyk eine gut durchdachte Entscheidung, er wechselt ins Schwergewicht. In seinem Debüt besiegt der Mann, der über 1,98 Meter Reichweite verfügt, den Amerikaner Chazz Witherspoon locker nach Aufgabe seines Kontrahenten in Runde sieben. Der Kampf ist ein Aufgalopp und keine wirkliche Prüfung für den ehemaligen Super Champion im Cruisergewicht. Der Ukrainer hat schon während seiner Amateurzeit viel mit schwereren Boxern im Ring gestanden, es ist immer ein Traum von ihm gewesen bei den ganz schweren Jungs mit zu boxen. Doch Ist er dafür gut genug? Evander Holyfield und David Haye sind prominente Beispiele, die es als Weltmeister im Cruisergewicht auch im Schwergewicht zu Titel Ehren gebracht haben. Auf den ersten Blick ist der Ukrainer keineswegs schlechter als die beiden einzuschätzen. Und anders als beispielsweise Haye lässt sich die Katze auch noch mehr Zeit mit dem Titelkampf. Denn in seinem nächsten Gefecht wartet zwar noch kein Weltmeister auf Usyk, aber ganz bestimmt kein Unbekannter.
Wenn es eine Liste von Skandalboxern geben würde, wäre der nächste Gegner des Ukrainers sicher in den Top zehn vertreten. Er ist zwar kein Mike Tyson, aber er gibt sich alle Mühe wie einer zu wirken. Sein Kampfname lautet nicht umsonst Krieg, den er hat schon in einigen harten Gefechten im Ring gestanden: Dereck Chisora. Der Brite mit afrikanischen Wurzeln hat zuletzt drei Siege in Folge eingefahren und will es nochmal wissen. Seit kurzem wird der 36-jährige von seinem Landsmann David Haye gemanagt und trainiert. Aus seinem Camp heißt es er trainiere so diszipliniert wie lange nicht mehr, dazu gibt sich der ehemalige WBA-Weltmeister Hye größte Mühe seinen Schützling groß zu reden. Allerdings hat Chisora bereits neun Niederlagen auf seinem Profikonto. Außer in Sachen Erfahrung im Schwergewicht und Schlagkraft sollte Usyk in allen Kategorien überlegen sein. Der Ukrainer geht als klarer Favorit in das Gefecht gegen Chisora*, er hat schon mittelfristig ganz andere Gegner im Blick als den Engländer: Er will die Landsmänner Chisoras und Weltmeister Tyson Fury und Antony Joshua vor die Fäuste bekommen.
*Der für Mai geplante Kampf wird wegen dem Coronavirus verschoben
Quelle: matchroom boxing
I AM VERY FEEL
Viele Menschen glauben nicht an mich, sie glauben ich bin zu klein für ein Schwergewicht. Genauso wie sie früher gesagt haben, ich solle nicht boxen. Dann sage ich mir selber immer wieder: Ich kann es schaffen.
Einst hat Usyk mit einem gewissen Wladimir Klitschko öffentlich gesparrt. Der Mann aus Simferopol wird nach einer Runde nach Hause geschickt, er hat den Champion zu schlecht aussehen lassen. Schon in der World Series of Boxing hat er mit Schwergewichten im Ring gestanden und auch mit deutlich mehr Kilos auf den Rippen überragend geboxt. Usyk sparrt seit Jahren mit schwereren Boxern, es ist für ihn kein komplettes Neuland. Sind dies alles Indikatoren die für einen Erfolg des Ukrainers in der Königsklasse sprechen?
Für Usyk ist die wichtigste Eigenschaft eines Boxers die Disziplin. Sie hat ihn weit im Leben gebracht. Er steht ganz kurz vor Titelkampf im Schwergewicht Doch ist er wirklich gut genug um die Weltmeister zu gefährden? Werden sein genialer Ring-IQ und seine überragende Beweglichkeit dem Ukrainer auch in der höheren Gewichtsklasse Siege einbringen? Ist er stabil genug um Treffer von deutlich schwereren Gegnern einfach wegzustecken? Hat er selber genug Power um Boxer wie Fury oder Joshua anzuklingeln?
Nahezu unendliche Fragen hat Oleksandr Usyk in seiner Boxkarriere schon beantwortet. Sollte er die oberen auch noch mit Ja beantworten wird er als einer der ganz Großen in die Geschichte eingehen.
TOE TO TOE Oleksandr Usyk
ROMAN HORSCHIG
Roman Horschig arbeitet mit absoluter Leidenschaft als Sportkommentator, Stadionsprecher und Moderator in ganz Deutschland. Mit seinem großen Enthusiasmus für den Sport macht er auch Ihr Event zu einem absoluten Erlebnis. Versprochen.
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TOE TO TOE
Am Donnerstag um 21:00 Uhr ist es soweit!
Das neue Boxformat TOE TO TOE in Zusammenarbeit mit Tim Yilmaz und fight24.tv geht an den Start.
In der ersten Folge widmen wir uns der Frage: Kann Oleksandr „I am very feel“ Usyk im Schwergewicht bestehen?
Live aus dem Mariposa Boxing Club in Sendling und zu sehen auf dem Youtube Kanal des einzig wahren Kampfsportsenders fight24.tv.
Da bleibt Euch nur eins übrig: Einschalten!
PS: Gibt auch noch ein schönes Gewinnspiel um was es geht verraten wir am Ende der Sendung.
ROMAN HORSCHIG
Roman Horschig arbeitet mit absoluter Leidenschaft als Sportkommentator, Stadionsprecher und Moderator in ganz Deutschland. Mit seinem großen Enthusiasmus für den Sport macht er auch Ihr Event zu einem absoluten Erlebnis. Versprochen.
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Der Unberührbare
Roy Jones Homepage | Roy Jones bei BoxRec | Credits Titelbild Aberro Creative
Mit freundlicher Unterstützung von Tim Yilmaz und dem Mariposa Boxing Club
Es ist der 28. Januar 1974, als sich das Leben eines kleinen Jungen im heimischen Wohnzimmer in Pensacola, Florida für immer verändert. Es boxen Muhammad Ali und Joe Frazier im Madison Square Garden und der Junge ist so fasziniert von dem Gefecht, dass er sich in das Boxen verliebt. Von diesem Tag an hat er einen Traum: Er will selber ein ganz großer Kämpfer werden!
Mehr als vierzehn Jahre später, der 14. Oktober 1988. Der Junge ist erwachsen geworden und steht im Finale der olympischen Spiele in Seoul dem Lokalmatador Si Hun Park gegenüber. Bisher hat er in unglaublich beeindruckender Manier jede Runde auf dem Weg in den Finalkampf für sich entschieden. Und auch im Finale ist er der Dominator im Ring. Er landet insgesamt 86 Treffer, sein Gegner nur 32, die amerikanischen Kommentatoren feiern schon die nächste Goldmedaille. Doch bei der Urteilsverkündung bleibt der Arm des jungen Mannes unten, der den Kampf für alle offensichtlich ganz klar gewonnen hat. Si Hun Park wird Olympiasieger, in einem Urteil was als eines der größten Fehlentscheidungen in die Geschichte des Olympischen Boxens eingeht. Der junge Mann ist am Boden zerstört, versteckt seine Tränen unter seinem weißen Handtuch. In diesem Moment beschließt er, dass sein Traum ausgeträumt ist. Über ein Jahrzehnt hartes Training für diesen Moment, verloren durch Korruption. Er entscheidet sich nach diesem Rückschlag für immer mit dem Boxen aufzuhören. Ihr ahnt es schon, die Rede ist von Roy Jones jr. Für viele der beste Halbschwergewichtler aller Zeiten, für manche der größte Boxer überhaupt.
HARTE SCHULE
Es waren nur Schmerzen den ganzen Tag, jeden Tag. Ich hatte so eine Angst vor meinem Vater. Jeder Tag war gleich: Schule, Hausaufgaben, Farmarbeit, Training. Verletzt werden oder sterben war vielleicht besser, als das Leben das ich lebte. Deshalb wurde ich so ein Draufgänger. Ich würde alles tun, es machte eh keinen Unterschied.*
Roy Levesta Jones jr. erblickt am 16. Januar 1969 in Pensacola, Florida die Welt. Er wächst auf der heimischen Farm auf, umgeben von Schweinen, Pferden, Rindern und seinen vier Geschwistern. Sein Vater ist ein Vietnam Kriegsveteran mit bronzenem Stern, den er für die Rettung eines Kameraden erhalten hat. Später legt er auch noch eine mittelmäßig erfolgreiche Karriere als Profiboxer hin. Ein Krieger, der für seinen Sohn nur eines im Sinn hat: Erfolg!
Der junge Jones beginnt bereits im Alter von fünf Jahren mit dem Boxtraining, mit zehn bestreitet er seinen ersten Wettkampf. Sein Vater drillt ihn bis zum Umfallen, eine gelegentliche Tracht Prügel mit in begriffen. Jones boxt von Anfang an nur gegen größere und stärkere Gegner, sein erster Kontrahent ist vier Jahre älter als er und wiegt 16 Pfund mehr. Sein Vater erzieht Jones mit einem armeeartigen Regime, bereits mit acht Jahren muss der Junge einen Bullen reiten. Ein extrem hartes Training, was sich boxerisch aber auszahlt. Jones gewinnt zweimal die Golden Gloves, bevor er sich 1988 für die olympischen Sommerspiele in Seoul qualifiziert.
Mit 19 Jahren ist er zwar der jüngste Athlet im gesamten amerikanischen Boxkader, aber auch der schnellste. Dazu genießt er den Frieden das erste Mal wirklich länger außerhalb der Obhut seines Vaters zu sein. Er will um jeden Preis Gold gewinnen um endlich unabhängig zu werden. Und der Amerikaner boxt in Asien überragend und wird nur durch das korrupte Urteil der Kampfrichter gestoppt. Dazu kommen, trotz seines jungen Alters, starke Fähigkeiten als Anführer. Er wirkt auf seine Teammitglieder als wäre er durch härtere Schulen gegangen, als alle Ghettokinder im US-Kader. Oft fragen sie ihn nach seinem Rat. Seinen Entschluss die Boxkarriere zu beenden, wirft er nach der Ankunft im heimischen Florida schnell wieder über Bord. Er wird wie ein Held empfangen, im ganzen Land schenken ihm die Amerikaner Goldmedaillen. Jones beschließt Profi zu werden. Seine überragende Bilanz als Amateur liegt bei 121 zu 13. Immer an seiner Seite: Sein Trainer, Manager und Vater Roy Jones Sr.
*Alle Zitate zu Beginn eines jeden Abschnitts sind von Roy Jones jr.
EIGENER CHEF
Ich will Dinge tun, von denen keiner glaubt, dass ich sie tun kann. Das tun Champions. Ein Krieger ist jemand, der bis zum Tod kämpft. Das ist mein Vater. Aber ein Champion ist jemand, der sich jeder Situation anpassen kann und gewinnt. Und das bin ich.
Am 6. Mai 1989 gibt der Amerikaner sein Profidebüt im heimischen Pensacola. Und Jones räumt einen Gegner nach dem anderen aus dem Weg. Dem immer überlegenen Amerikaner geht es karrieretechnisch allerdings nicht schnell genug. Sein Vater will die Sache langsam und sicher angehen, stellt seinen Sohn nicht vor die wirklich großen Herausforderungen. Der Konflikt zwischen den Beiden schwelt schon lange in der Luft, schon zu Beginn der Profikarriere will sich Jones von seinem Vater trennen. Doch seine Mutter stimmt ihn im letzten Moment um. Jones sagt in Interviews bis heute, sein Vater hat es nie geschafft ihn wie einen erwachsenen Mann zu behandeln. Die Erschießung von einem sich in Jones Obhut befindenden Rottweilern bringt das Fass schließlich zum Überlaufen. Der Hund hat Jones kleine Schwester leicht in den Arm gebissen, die Wunde verheilt schnell. Doch Roy Jones Sr. kennt keine Gnade, er geht zu Jones Haus und erschießt den Hund. Was folgt ist nicht nur die Trennung auf beruflicher Ebene, sondern ein kompletter Cut. Für viele Jahre reden die beiden kein Wort mehr miteinander. Die knallharte Erziehung, die Jones Sr. nicht anders kennt und die nur zum Besten seines Sohnes sein sollte, hat einen tiefen Keil zwischen die beiden getrieben. Doch die Trennung bedeutet für Roy Jones jr. auch etwas anderes: Den Segen der Unabhängigkeit.
Jones wird ab diesem Zeitpunkt von Alton Merkerson, dem Trainer der Olympiaauswahl Amerikas von 1988, betreut. Und der WM-Kampf, den er sich gewünscht hat, lässt nicht lange auf sich warten. Am 22. Mai 1993 trifft der 24-jährige Jones auf Bernard Hopkins. Hopkins ist seit 22 Kämpfen ungeschlagen, doch Jones ist im Ring der klar bessere Mann. Der aufstrebende Boxer aus Florida gewinnt deutlich nach Punkten. Von da an kann er sich IBF-Weltmeister im Mittelgewicht nennen. Jones erklärt später, er habe Hopkins trotz gebrochener Hand geboxt und besiegt. Jones besticht durch extrem gute Ringintelligenz und Beweglichkeit, sein größtes Alleinstellungsmerkmal ist allerdings seine atemberaubende Geschwindigkeit. In den Beinen, aber vor allem in den Fäusten. Auch seine nächsten vier Kämpfe gewinnt der Amerikaner deutlich und trifft schließlich in einem Kampf um die Krone im Supermittelgewicht auf den in 46 Kämpfen ungeschlagenen James Toney. Es wird der Kampf werden, der Jones Karriere für immer verändert.
POUND FOR POUND NUMMER EINS
Ich gebe meinen Hähnen nur das allerbeste Essen. Ich gebe Ihnen alles was sie wollen, bevor ich von Ihnen das Opfer des Kampfes auf Leben und Tod verlange. Mach einem Hahn das Leben komfortabel und er wird sich den Arsch für Dich aufreißen. Mehr verlange ich nicht von HBO, sie verstehen es nur nicht.
Flashback, 15 Jahre zurück. Auf der elterlichen Farm in Pensacola und in nächster Umgebung finden regelmäßig Hahnenkämpfe statt, bei denen Roy Jones jr. ständiger aufmerksamer Zuschauer ist. Er ist in jungen Jahren vom Kämpfen fasziniert und beobachtet die Duelle der Tiere mit Adleraugen. Er wird sich viel von der Kampfmentalität der Hähne abschauen. Und vor allem eine Regel verinnerlichen: Gewinnen oder Sterben.
Zurück im Profigeschäft: 18. November 1994, MGM Grand Las Vegas. Roy Jones jr. trifft auf James Toney, der zu dieser Zeit von nahezu allen Experten als der beste Boxer im Supermittelgewicht angesehen wird. Es geht um die IBF-Weltmeisterschaft und Jones ist das erste Mal in seiner Karriere der Underdog. Es ist der ultimative Test, den der legendäre HBO-Kommentator Larry Merchant nochmal für alle zusammenfasst: „Jones hat bisher alle schweren Gegner gemieden, wir wissen nicht ob er ein Superstar ist oder ein Schwindler.“ Der größte Mittelgewichtskampf seit Marvin Hagler gegen Sugar Ray Leonard wird sehnsüchtig von allen Boxfans erwartet. Doch es passiert genau das, womit nur wenige gerechnet haben. Roy Jones jr. dominiert seinen Landsmann im Ring, reizt ihn mit provokanten Gesten und ist ihm vor allem in Sachen Geschwindigkeit vollkommen überlegen. Er siegt klar nach Punkten und das angesehene Ringmagazin wertet seine Performance, als die dominanteste, die es in den letzten 20 Jahren in einem großen Boxkampf gegeben hat. Es ist der Kampf, durch den Jones in der breiten Öffentlichkeit in einem vollkommen anderen Licht gesehen wird.
Der Amerikaner ist nach seinem Sieg an der Spitze angekommen und macht keine Anstalten sie zu verlassen. Er unterschreibt den lukrativsten Fernsehvertrag, den je ein Boxer außerhalb der Schwergewichtsklasse unterschrieben hat und verteidigt seinen Titel sechsmal in den nächsten zwei Jahren. Und das oft auf eine Art und Weise, die die Boxwelt noch nie gesehen hat. Gegen Vinny Pazienza schafft Jones es als erster Boxer, seit es Aufzeichnungen von CompuBox gibt, während einer kompletten Runde nicht ein einziges Mal getroffen zu werden. Am Tag seiner Titelverteidigung gegen Eric Lucas am 15. Juni 1996 spielt Jones am Vormittag noch Basketball in der regionalen Liga und demontiert seinen Gegner am Abend trotzdem. Jones ist seinen Gegnern im Ring überlegen, vielleicht zu überlegen. Schon jetzt wünschen sich viele Fans, dass er ins Schwergewicht aufsteigt und gegen den legendären Iron Mike Tyson boxt.
Roy Jones jr. versus James Toney Ganzer Kampf
Roy Jones jr. versus Bernard Hopkins Ganzer Kampf
DER DRITTE STREICH
Can’t be touched, Can’t be stopped, Can’t be moved, Can’t be rocked, Can’t be shook.
Wir befinden uns Mitte der neunziger Jahre und Jones ist im Boxen das Maß aller Dinge. Er sitzt mit einem guten Freund am heimischen See und angelt, sein Gegenpol zu den mit Adrenalin vollgepumpten Boxarenen. „Was wäre ich für ein Vorbild für meine Kinder, wenn mir irgendwer auf der Welt sagt was ich zu tun habe. Wenn ich Lust habe den ganzen Tag hier draußen zu sein und zu fischen, dann mache ich das.“, sagt Jones in einer ESPN Doku. Tatsächlich verzichtet der Mann aus Florida im Gegensatz zu vielen anderen großen Boxern auf einen Promoter, er managt sich seine komplette Karriere selbst. Sogar der große Don King ist bei mehreren Besuchen in Pensacola abgeblitzt.
So ist es auch Jones selber, der beschließt einen Angriff auf einen Weltmeistertitel in einer dritten Gewichtsklasse zu wagen, dem Halbschwergewicht. Und auch hier gelingt es dem Mann aus Florida erneut zu triumphieren. Im Kampf um die WBC-Weltmeisterschaft demontiert er seinen Landsmann Mike McCallum und liegt am Ende auf allen Punktzetteln mit 120 zu 107 vorne. Nach seinem Kampf dankt er wie immer Gott für seinen Sieg. Jones ist einfach nicht zu stoppen und zu dieser Zeit mit Abstand der populärste Boxer außerhalb des Schwergewichts. Kein anderer auf der Welt vereint Schlagkraft und Geschwindigkeit so wie er. Er macht Bewegungen im Ring, die Fans noch nie zuvor gesehen haben. Dazu legt er eine Disziplin an den Tag, die ihresgleichen sucht. Wer um alles in der Welt soll diesen Roy Jones jr. schlagen?
KEIN ENDE IN SICHT
Boxen ist nicht brutal, es ist eine Kunst. Gott hat mich mit unglaublicher Geschwindigkeit in den Händen gesegnet, die ich nutzen muss. Was soll ich sonst tun? Es gibt keine Handmelde Wettbewerbe!
Jones wird von all seinen Freunden und Kollegen aus dem Showbusiness als netter und sehr loyaler Mensch beschrieben. Oft wirkt er in Dokumentationen auch wie ein Spaßvogel, den man einfach gernhaben muss. Was allerdings passiert, wenn man den Amerikaner reizt, davon wird die Weltöffentlichkeit im Jahr 1997 Zeuge. Jones verteidigt seinen Titel im Halbschwergewicht das erste Mal im März des Jahres gegen den bis dato ungeschlagenen Montell Griffin. Griffin wird zu dieser Zeit von vielen Experten, als eines der der Top fünf Halbschwergewichte des Planeten gesehen. Jones ist zu diesem Zeitpunkt selbst in 34 Profikämpfen unbesiegt und klarer Favorit. Doch der Kampf in Atlantic City ist überraschend eng, Griffin hält gut mit. Erst in der neunten Runde legt Jones einen Zahn zu und schlägt seinen Kontrahenten zu Boden, alles sieht nach einem erneuten Sieg aus. Doch Jones schlägt auch dann noch auf Griffin ein, als dieser sich schon mit den Knien am Boden befindet. Er wird disqualifiziert und verliert seinen Titel. Griffin gibt sich nach dem Kampf großspurig, er sei der bessere Mann gewesen. Jones, der bei den Punktrichtern schon vor dem Niederschlag vorne liegt, erklärt er habe nicht genau gesehen ob Griffin bereits am Boden ist. Der Mann aus Pensacola will umgehend Revanche und bekommt sie.
Kaum fünf Monate später liegen die alle Augen der Boxfans mal wieder auf Roy Jones jr. Bekommen seine Kritiker erneut Wasser auf die Mühlen? Oder kann der Amerikaner Ihnen endlich den Wind aus den Segeln nehmen? Jones gibt die Antwort im Ring, und wie! Er demontiert Griffin und knockt ihn bereits in der ersten Runde mit einem krachenden linken Haken aus. Keine Spielereien, keine Showtime, einfach nur gnadenlos gutes Boxen. Jones, der gerne Harley fährt, hat nochmal einen draufgelegt und dominiert auch in den nächsten Jahren das Halbschwergewicht komplett. Er knockt während dieser Zeit unter anderem Virgil Hill und Reggie Johnson aus. Der Amerikaner vereinigt mit Ausnahme der WBO alle Weltmeistertitel der wichtigsten Verbände. Er ist der erste Mann seit einem gewissen Michael Spinks, dem dies gelingt. Immer wieder liebäugelt er mit einem Aufstieg ins Schwergewicht, die Namen Tyson, Lewis und Klitschko fallen regelmäßig. Doch Jones bleibt dem Halbschwergewicht lange treu und verteidigt seine Titel bis Ende 2002 noch zwölfmal, Rekord.
Legendäres Interview mit Roy Jones jr.
KÖNIGSKLASSE
Ich würde gegen Tyson nicht wegen der Show kämpfen, ich brauche das nicht. Sie können so hell mit dem Licht auf Dich scheinen, dass Du nicht mehr siehst wo Du stehst. Und wenn das Licht eines Tages ausgeht, siehst Du dass Du auf nichts stehst.
Jones wird immer wieder vorgeworfen, er boxe nur schwache Gegner. Wenn man auf seine Gegner Anfang des neuen Millenniums schaut, sicher kein aus der Luft gegriffener Vorwurf. Er reagiert darauf auf seine eigene Art und nimmt im Jahr 2002 ein Rapalbum auf. Auf der Single Ya’ll Must’ve Forgot rechnet er mit seinen Kritikern ab, um sich kurz darauf auch im Ring einer neuen Herausforderung zu stellen. Jones steigt ins Schwergewicht auf und stellt sich dem WBA-Weltmeister John Ruiz.
Ruiz weist zuletzt Siege gegen Kirk Johnson und Evander Holyfield auf, ist also alles andere als Fallobst. Jones will der erste Mann seit Bob Fitzsimmons mehr als hundert Jahre zuvor werden, der sich sowohl im Mittelgewicht als auch im Schwergewicht die Weltmeisterkrone aufsetzt. Allerdings ist Fitzsimmons bereits zwei Jahre im Schwergewicht aktiv bevor um die Weltmeisterschaft kämpft. Auch ein gewisser Oleksandr Usyk wird frühestens in seinem dritten Schwergewichtskampf in einem WM-Gefecht stehen. Doch Jones will es direkt wissen. Er legt in relativ kurzer Zeit 25 Pfund Gewicht zu und am 1. März 2003 boxen die beiden Kontrahenten zwölf Runden in Las Vegas um die Krone. Ruiz ist immer noch 27 Pfund schwerer als Jones. Es ist ein hochklassiger Fight und Roy Jones gewinnt am Ende deutlich nach Punkten. Jones hat das nahezu Unmögliche tatsächlich geschafft, er hat auch in der vierten Gewichtsklasse den Titel geholt.
Auch wenn Ruiz zu den schwächeren Weltmeistern dieses Jahrhunderts zählt, ist Jones Leistung nicht hoch genug zu bewerten. Der Mann, der 1988 im Halbmittelgewicht bis 71 Kilo bei Olympia gekämpft hat, ist 15 Jahre später bei den Buchmachern mit zwei zu eins Favorit gegen einen gewissen Mike Tyson. Im Interview nach dem Kampf sagt Jones: Gebt mir Tyson oder ich trete zurück!
ALLES HAT EIN ENDE
Wenn Gott will, dass ich aufhöre muss er nur einen Doktor in der Mayo Klinik einen Gehirnschaden bei mir finden lassen. Nur ein kleines Zeichen von Trauma oder Gehirnschaden und ich bin raus.
Noch heute gibt es Gerüchte, dass der Tyson Kampf ganz kurz vor dem Abschluss steht, doch der unkonventionelle Jones überlegt es sich anders. Anstatt in der Königsklasse zu bleiben geht er zurück ins Halbschwergewicht und stellt sich dort dem bärenstarken Antonio Tarver. Den ersten Kampf kann Jones dank starkem Endspurt noch sehr umstritten nach Punkten gewinnen. Doch im zweiten Kampf passiert das Unglaubliche, Jones wird vom Mann aus Orlando in der zweiten Runde heftig ausgeknockt. Das rasante Zunehmen und der darauffolgende Gewichtsverlust haben selbst bei einem Roy Jones jr. ihren Tribut gefordert. Jones größte Stärke, seine Geschwindigkeit, ist nahezu verloren gegangen. Die Niederlage ist ein Erdbeben in der Boxwelt. Um es nochmal in Relation zu setzen, Jones hat zu diesem Zeitpunkt von 184 Kämpfen in seiner gesamten Boxkarriere nur 14 verloren. Dies sind alles knappe Niederlagen in Amateurkämpfen und die Disqualifikation gegen Griffin.
Doch der Nimbus der Unbesiegbarkeit ist für immer verloren. Auch die nächsten beiden Kämpfe, einen davon erneut gegen Tarver, verliert Jones. In den folgenden Jahren boxt der Mann aus Pensacola weiter, schlägt unter anderem Felix Trinidad und Jeff Lacy. Allerdings verliert er auch einige Kämpfe, unter anderem gegen Joe Calzaghe und Bernard Hopkins. Er ist nur noch ein Schatten seines boxerischen Selbst. Nennenswerte Titel wird er nicht mehr gewinnen. Er beendet seine Karriere endgültig erst 2018 mit einem Sieg vor heimischem Publikum in Pensacola. Der Amerikaner boxt bis zu seinem 49ten Lebensjahr weiter, zuletzt allerdings nur noch gegen verschiedene Journeymen.
VERMÄCHTNIS
Mich interessiert mein boxerisches Vermächtnis nicht. Mir ist egal auf welchem Platz sie mich in der Liste der Besten aller Zeiten setzen, von mir aus können sie mich auf den letzten Platz setzen.
Das letzten Jahre der Karriere haben Jones Erbe etwas getrübt. Viele haben vergessen wie gut der Mann, der seit Anfang der 2000er Boxen für HBO live kommentierte, in seiner Prime war. Um Jones Fähigkeiten nochmal etwas anschaulicher darzustellen und in heutige Verhältnisse zu setzen: Auch ein gewisser Floyd Mayweather kommt während Jones Nummer Eins Status in seine boxerische Prime. Doch darüber Mayweather in der Pound for Pound Rangliste vor Roy Jones jr. zu setzen, wird nicht einmal ansatzweise nachgedacht. In seiner besten Phase ist Jones die Nummer Eins der Welt und danach kommen erst mit großem Abstand die nächstbesten Boxer wie Mayweather. Die Boxing Writers Assocation of America wählt Roy Jones jr. dann auch zum Fighter des Jahrzehnts in den neunziger Jahren. Bis heute hat Jones die meisten Titelvereinigungskämpfe im Halbschwergewicht gewonnen. Sein unnachahmlicher Stil und seine einzigartige Geschwindigkeit haben natürlich auch einen großen Teil zu seinem Legendenstatus beigetragen.
Für Jones ist Boxen immer eine Kunst gewesen, den Spaß sieht man ihm im Ring bis zuletzt an. Warum er seine Aussage nicht wahr gemacht hat, nach seinem größten Triumph zurückzutreten, werden wir wohl nie erfahren. Ich mag die romantische Vorstellung, dass Roy Jones jr. das Boxen einfach zu sehr liebt um damit aufzuhören. Derzeit trainiert der dreifache Vater aufstrebende Boxer wie Chris Eubank Jr. in seinem Gym in Pensacola.
Bei kaum einem anderen ehemaligen Boxprofi gehen die Meinungen über sein Können so sehr auseinander wie bei Roy Jones jr. Manche sehen ihn in den Top fünf der Größten aller Zeiten, bei anderen taucht er nicht mal in den Top 30 auf. Und tatsächlich sind in Roy Jones jr. Karriere einige Fragen offengeblieben: Warum hat er nie gegen Tyson geboxt? Wie wäre ein Kampf gegen Tarver ohne seinen vorherigen Aufstieg ins Schwergewicht wohl ausgegangen? Wie gut war er am Ende wirklich? Roy Jones jr. werden all diese Fragen wohl keine schlaflosen Nächte bereiten.
Roy Jones jr. Karriere Highlights
Roy Jones jr. Die besten zehn Knockouts
ROMAN HORSCHIG
Roman Horschig arbeitet mit absoluter Leidenschaft als Sportkommentator, Stadionsprecher und Moderator in ganz Deutschland. Mit seinem großen Enthusiasmus für den Sport macht er auch Ihr Event zu einem absoluten Erlebnis. Versprochen.
Reinhören und gleich anfragen:
Von Leichen und Nächstenliebe
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Am 23. November 2019 hat Deontay Leshun Wilder seinen WBC-Gürtel im Schwergewicht zum zehnten Mal in Folge verteidigt. Der 34 Jahre alte Amerikaner stoppte den Kubaner Luis Ortiz in der siebten Runde mit einem krachenden One-Punch Knockout. Damit haben in der jüngeren Boxgeschichte nur Wladimir Klitschko und Larry Holmes ihren Weltmeistertitel noch öfter verteidigt als der Bronze Bomber. Dazu kam, dass Wilder erneut auf allen Punktzetteln deutlich hinten lag, bevor er sich mal wieder ein Herz fasste und den Kampf mit einer heftigen rechten Geraden für sich entschied. Der Amerikaner räumt seine Gegner seit Jahren reihenweise per Knockout aus dem Weg. Eines Tages will er eine Leiche in seinem Kampfrekord, an einem anderen Tag greift er seinem Gegner mit einem lukrativen Kampf finanziell unter die Arme. Wer ist dieser Mann mit zwei Gesichtern?
FRÜHE KARRIERE
Wilder wurde am 22.10.1985 in Tuscaloosa, Alabama im tiefsten Süden der USA als eines von vier Geschwistern geboren. Erst mit 21 Jahren begann er mit dem Boxsport im Skyy Boxing Club in seiner Heimatstadt unter Trainer Jay Deas. Wilders frisch geborene Tochter war mit einer seltenen Knochenkrankheit auf die Welt gekommen und Wilder hatte beschlossen Geld, als Journeyman zu verdienen. Journeymen sind Boxer, die im Ring absichtlich verlieren und dafür meistens sehr gut bezahlt werden. Um Geld für die notwendigen Operationen seiner Tochter zu verdienen, arbeitete Wilder auch als Trucker bei Budweiser. Sein boxerisches Talent wurde jedoch sehr schnell erkannt und er landete knapp eineinhalb Jahre nach seinem ersten Amateurkampf im Olympiakader der USA. Im Schwergewicht boxte er sich ins Halbfinale vor und wurde erst vom Italiener Clemente Russo relativ deutlich nach Punkten gestoppt. Von diesem Tag an nannte er sich, in Anlehnung an Joe Luis, Bronze Bomber.
Wilder wechselte dann nach nur 35 Amateurkämpfen und einer Bilanz von 30-5 zu den Profis, wo er anfing seine Gegner reihenweise auszuknocken. In seinem 33ten Kampf ging es für Wilder um den Weltmeistergürtel der WBC im Schwergewicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte er nie mehr als vier Runden im Ring gestanden. Unter anderem deklassierte er den ehemaligen Olympiasieger Audley Harrison, den ehemaligen WBO-Weltmeister Sharhej Ljachowitsch und den aufstrebenden Amerikaner Malik Scott. Und zwar alle per Knockout in Runde Eins! In seiner Ecke steht seit dem ersten Tag seiner Profikarriere der ehemalige Olympiasieger und WBA-Weltmeister Mark Breland.
Wilder bei Olympia in Peking
Wilder deklassiert Sharhej Ljachowitsch
WBC-WELTMEISTER
Trotz dieser Siegesserie ging der relativ unbekannte Wilder als Außenseiter ins Duell mit dem Kanadier Berman Stiverne. Im MGM Garden kam es schließlich im Januar 2015 zum Aufeinandertreffen und Wilder errang mit einem klaren Punktsieg den WBC-Gürtel. Wilder war somit der erste amerikanische Schwergewichtsweltmeister seit Shannon Briggs in 2007.
In der Folge verteidigte Wilder, der leidenschaftlich Waffen sammelt, seinen Titel fünfmal unter anderem gegen Gerald Washington, Chris Arreloa und Artur Szpilka. Wilder hatte zum Zeitpunkt seines Weltmeistertitels erst 68 Kämpfe unter Wettbewerbsbedingungen bestritten. Daher wählte sein Team Kämpfe aus, in denen Wilder sich weiterentwickelte. In der breiten Öffentlichkeit und auch in boxerischen Kreisen bekam Wilder auch deshalb wenig Anerkennung. Trotz seines steilen Aufstieges und trotz seiner phänomenalen Knockout-Quote.
Nach nur eineinhalb Jahren Boxtraining bei den Olympischen Spielen auf dem Treppchen zu stehen ist ein absolutes Novum. Seine kurze Amateurkarriere im Hinterkopf ist auch sein Aufstieg bei den Profis nahezu einmalig. Die beiden Hauptargumente gegen Wilder waren sein wilder und technisch unsauberer Boxstil und eben seine Gegnerauswahl. Beide Argumente sollte Wilder in 2018 auf spektakuläre Weise entkräften.
ORTIZ
Für November 2017 wählte Wilder nämlich einen Gegner aus, der von der gesamten Schwergewicht-Elite bis dato gemieden wurde: Luis „King Kong“ Ortiz.
Der Kubaner mit dem brutalen Amateurrekord von 349-19 war für Wilder eine völlig neue Herausforderung. Kubanische Schule und ebenso wie Wilder noch ungeschlagen als Profi. Wilder ging trotz seines WBC-Gürtels als Außenseiter in dieses Duell. Ortiz fiel allerdings durch den Drogentest und Wilder besiegte stattdessen in einem Rematch Bermane Stiverne, diesmal in Runde Eins. Dieser Knockout war so spektakulär, dass Wilder das erste Mal auch in der breiten Öffentlichkeit und in den sozialen Medien Aufmerksamkeit erregte.
Doch der Ortiz Kampf sollte kommen und wie! Im März 2018 forderte Ortiz Wilder in New York heraus und schaffte es als erster Gegner den Bronze Bomber in ernsthafte Bedrängnis zu bringen. Der WBC-Champion wackelte ernsthaft in der siebten Runde. Doch Wilder kam in der zehnten Runde zurück und knockte Ortiz spektakulär mit einem rechten Aufwärtshaken aus. Die bessere Vorbereitung seiner rechten Schlaghand und vor allem starke Nehmerqualitäten sorgten dafür, dass Wilder in einem ganz anderen Licht wahrgenommen wurde. Wilder hatte seinen WBC-Titel zum siebten Mal verteidigt. Was wenige wissen: Auch die Tochter von Luis Ortiz leidet an einer seltenen Krankheit und Wilder griff seinem Kontrahenten durch diese lukrative freiwillige Titelverteidigung unter die Arme. Mit seinem Sieg gegen Ortiz setze Wilder ein großes Ausrufezeichen! Als nächsten Gegner konnte es nur einen geben: den amtierenden WBA, IBF und WBO-Weltmeister Antony Joshua.
Quelle (ebenso Titelbild): PremierBoxingChampions – Ryan Hafey
FURY
Doch Joshua und Wilder fanden keine Einigung in Sachen Kampfbörsen und so kam plötzlich ein ganz anderer Name ins Spiel: Tyson Fury.
Der ungeschlagene lineare Weltmeister war nach schwerer Depression aus der Versenkung zurückgekehrt und forderte den WBC-Champion heraus. Für diesen Kampf kassierte Wilder vier Millionen Dollar plus Boni, seine größte Börse bis dato.
In der epischen Ringschlacht in Los Angeles sah Wilder elf Runden lang wie der sichere Verlierer aus. Doch in Runde Zwölf schaffte der Amerikaner das Unglaubliche. Vermeintlich auf allen Punktzetteln deutlich hinten liegend schlug er Tyson Fury mit einer krachenden Kombination, einer Links-rechts Gerade gefolgt von einem linken Haken zu Boden. Fury, der in seiner Profikarriere vorher erst einmal am Boden war, stand allerdings auf unglaubliche Weise vor Ablauf der zehn Sekunden wieder auf. Der Kampf endete mit einem kontroversen Unentschieden.
Obwohl die meisten Boxexperten Tyson Fury als Sieger sahen, stieg Wilders Ansehen in der Öffentlichkeit weiter. Allerdings zeigte Fury Wilder in vielen Bereichen auch klar die Grenzen auf. Gegen die Beinarbeit und Finten des Gypsy King wirkte Wilder teilweise wie ein Straßenschläger. Immer wieder versuchte der Bronze Bomber vergeblich seine rechte Hand anzubringen und brachte während des gesamten Kampfes nur 17 Prozent seiner Schläge beim Gegner an. Auch laut eigener Aussage war er viel zu sehr auf den Knockout fixiert, was ihn sehr berechenbar machte. In 2019 stieg Wilder nicht wie erwartet zum Rematch gegen Fury in den Ring, sondern besiegte zunächst Pflichtherausforderer Dominic Breazele durch spektakulären Knockout in Runde Eins. Danach duellierte sich der achtfache Familienvater erneut mit Luis Ortiz und entschied auch dieses Gefecht in der siebten Runde für sich.
Quelle: PremierBoxingChampions – Ryan Hafey
TITELVEREINIGUNG 2020?
In den letzten Jahren hat sich Wilder boxerisch bedeutend gesteigert. Eine deutlich kontrolliertere Kampfführung, das Warten auf den richtigen Moment und mehr Führhände zum Körper sind nur einige Dinge, die der Amerikaner verbessert hat. „Sie müssen zwölf Runden lang perfekt boxen, ich nur zwei Sekunden“, ist die vielleicht legendärste Aussage Wilders. Gerade sein letzter Kampf gegen Luis Ortiz hat dies wieder gezeigt. Obwohl der Kubaner den Bronze Bomber sieben Runden lang boxerisch in den Schatten stellte, nutze Wilder den ersten kleinen Fehler seines Kontrahenten eiskalt aus und schickte ihn auf die Bretter. Kein anderer Boxer im Schwergewicht geht bei seinen Schlägen so ein hohes Risiko ein wie der Bronze Bomber. Während er seine Führhand oft als Reichweitenmesser benutzt, riskiert er bei seiner rechten Geraden mit schneller Distanzüberbrückung und hoher Explosivität oft alles. Dieses Risiko hat sich bisher ausnahmslos ausgezahlt. Was ihm boxerisch fehlt, macht er mit Kraft, perfektem Timing und einer starken Ausdauer wett. Dazu kommen Wilders hohe mentale Stärke und sein gutes Kinn. Seine 95,4 Prozent Knockout-Quote ist unerreicht und wenn man Wilder heute als seinen Lieblingsboxer bezeichnet, erntet man nur noch selten schiefe Blicke.
Doch wird das alles reichen um wirklich die unumstrittene Nummer Eins im Schwergewicht zu werden? Am 22. Februar 2020 trifft Wilder in Las Vegas erneut auf Tyson Fury. Die vermutlich größten Siegchancen rechnet sich der Amerikaner über einen Knockout aus. Eine andere Möglichkeit wäre es den Briten auszuboxen. Dafür müsste der Bronze Bomber Fury deutlich mehr den Ring abschneiden und viel mehr saubere Führhände schlagen. Im ersten Stiverne Kampf hat er gezeigt, dass er dazu in der Lage ist. So oder so steht für Wilder historisches auf dem Spiel, denn der tiefgläubige Amerikaner kann sich zum einen die Krone des linearen Weltmeisters aufsetzen und zum anderen seinen WBC-Titel zum elften Mal in Folge verteidigen. Falls er dies schaffen sollte, wartet Antony Joshua.
Seit nun mehr über elf Jahren ist Deontay Wilder auf dem Weg in den Schwergewichtsolymp. Die beiden letzten Stufen dürften die Schwersten sein.
Wilder versus Fury Highlights
Wilder versus Ortiz Highlights
ROMAN HORSCHIG
Roman Horschig arbeitet mit absoluter Leidenschaft als Sportkommentator, Stadionsprecher und Moderator in ganz Deutschland. Mit seinem großen Enthusiasmus für den Sport macht er auch Ihr Event zu einem absoluten Erlebnis. Versprochen.
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Totgesagte leben länger
Mit freundlicher Unterstützung von Tim Yilmaz und dem Mariposa Boxing Club
Wir schreiben das Jahr 2015, genauer gesagt den 28. November. Der Brite Tyson Luke Fury hat vor wenigen Minuten die zweitlängste Regentschaft der jüngeren Schwergewichtsgeschichte beendet. Nicht weniger als 18 Titelverteidigungen hat der lineare Weltmeister Wladimir Klitschko auf dem Konto. Doch Fury hat ihn besiegt, viele Experten sprechen danach sogar von einer Demontage. Fury holt den linearen Weltmeistertitel wieder nach Großbritannien. Das erste Mal seit dem Rücktritt von Lennox Lewis in 2003. Dazu noch die Weltmeistertitel der WBA, WBO, IBF und IBO. Zum Abschluss schmettert er noch I don’t wanna miss a thing für die Liebe seines Lebens, seine Frau Paris. Das Leben könnte nicht schöner sein.
Wir schreiben mittlerweile April 2016, ein halbes Jahr nach Furys legendärem WM-Sieg. Klitschko und Fury befinden sich auf einer Pressekonferenz für ihren Rückkampf. Fury hat deutlich an Gewicht zugelegt und präsentiert dies auch gerne der Öffentlichkeit. Was wir heute wissen: Es wird niemals zum Rückkampf kommen. Fury ist drogenabhängig, manisch-depressiv und lebt zu diesem Zeitpunkt das Leben eines Junkies. Nur ein halbes Jahr nach dem größten Erfolg seiner Karriere ist der Brite völlig am Boden. Wie kann ein Box-Champion, der alles im Leben erreicht hat, in so kurzer Zeit dermaßen abstürzen?
Quelle (ebenso Titelbild): PremierBoxingChampions – Ryan Hafey
FRÜHREIF
Tyson Luke Fury wird am 12. August 1988 in Manchester geboren. Er kommt drei Monate zu früh auf die Welt und wiegt gerade mal ein Pfund. Von insgesamt 16 Schwangerschaften seiner Mutter haben nur vier Kinder die Geburt überlebt. Sein Vater hält ihn in der Hand und sagt zu ihm: Dein Name ist Tyson nach Mike Tyson und du wirst einmal Weltmeister im Schwergewicht. Der Arzt hält das für keine gute Idee, weil der Junge so schwächlich ist. Heute ist Fury ein 2,06 Meter großer Hüne, was die Story unglaublicher macht.
Fury wächst in einer Familie von Kämpfern auf. Sein Vater ist Profiboxer im Schwergewicht. Viele seiner Cousins und Brüder sind aktive Profiboxer oder haben geboxt. In seinem Ahnenstamm finden sich berühmte Bare-Knuckle Kämpfer, unter anderem der legendäre Bartley Gorman. Insgesamt lassen sich große Kämpfer in seiner Ahnenreihe bis zu 200 Jahre zurückverfolgen. Fury reiht sich nahtlos in seinen Familienstammbaum ein und prügelt sich zunächst regelmäßig mit seinem Bruder Shane und startet dann mit 14 Jahren in der Jimmy Egans Boxing Academy mit dem Boxen. Nach der ersten Stunde sagt sein zukünftiger Trainer Steve: Besorg ihm einen Boxpass! Schwergewichtler bewegen sich normalerweise nicht so.
DER AMATEUR
Fury bestreitet insgesamt 35 Amateurboxkämpfe und gewinnt davon 31. Er sammelt Medaillen bei Junioren Europa- und Weltmeisterschaften. Highlights sind die Silbermedaille bei den Junioren-Europameisterschaften in Sombor 2007 und sein Sieg bei der englischen Meisterschaft in Sheffield 2008. Seine größte Enttäuschung hingegen ist die Nichtnominierung für die Olympischen Spiele im selben Jahr. Der Brite David Price wird ihm vorgezogen, obwohl Fury die kontinentalen Meisterschaften im Olympia-Jahr 2008 für sich entschieden hat. Doch Fury hat eine Idee. Aufgrund seiner irischen Vorfahren sieht er Licht am Ende des Tunnels und wechselt zum irischen Verband. Doch trotz einiger Erfolge in Ländervergleichen findet er hier nie die Berücksichtigung, die er aufgrund seiner boxerischen Klasse verdient hat. Auch für Irland darf Tyson Fury nicht zu den Olympischen Spielen nach Peking fahren. Im Dezember 2008 entscheidet er sich Profi zu werden und siegt bei seinem ersten Kampf in Nottingham. Trainer ist zu Beginn seiner Karriere sein Onkel Hugh Fury.
DIE REISE BEGINNT
Mit sehr guter Distanzkontrolle und hoher Geschwindigkeit in den Fäusten gewinnt der Brite weitere sechs Gefechte, bevor er auf seinen ersten Gegner von stärkerem Format trifft. John McDermott ist acht Jahre älter und ein erfahrener Kämpfer. Fury beginnt sich auch neben dem Ring einen Namen als Trash-Talker zu machen, in dem er McDermott McMuffin tauft. Der erste Kampf im September 2009 ist ein wahrer Schlagabtausch und Fury kann nur ganz knapp den Punktsieg entführen. Umso mehr liegt die Spannung vor dem zweiten Aufeinandertreffen in der Luft. Diesmal stoppt der Engländer seinen Kontrahenten vorzeitig mit einem rechten Aufwärtshaken und stellt die Sache ein für alle Mal klar.
Furys Kampfname als Profi ist Gypsy King. Der Mann mit einer Reichweite von 2,16 Meter stammt aus einer Familie von Irischen Reisenden, einer ethnischen Minderheit die früher wie Nomaden lebten. Der Name bedeutet übersetzt so viel wie König der Zigeuner. Mit seinem zweiten Sieg gegen McDermott baut Fury seine Profibilanz auf 12-0 aus. Als nächste große Hürde wartet mit Dereck Chisora erneut ein Landsmann auf den ungeschlagenen Briten. Der Clash der beiden unbesiegten Kontrahenten wird zum Duell um die Commonwealth-Schwergewichtsmeisterschaft deklariert. Fury geht in das Duell als klarer Außenseiter. In einem brutalen Kampf in der Wembley Arena siegt Fury gegen den 118 Kilo-Koloss schließlich einstimmig nach Punkten. Chisora klingelt Fury in Runde zwei zwar heftig an, doch der Gypsy King kommt in beeindruckender Manier zurück. Fury beeindruckt mit überragender Beinarbeit für einen Mann seiner Größe. Auch die unglaubliche Flexibilität im Oberkörper versetzt Boxexperten ins Staunen. Schon nach diesem Sieg ist Fury ein Thema als Gegner für den amtierenden Champion Wladimir Klitschko, doch der Ukrainer sucht andere Herausforderungen.
Der Engländer stellt sich in der Folge fünf weiteren Kontrahenten, die er alle aus dem Weg räumt. Unter anderem Nicolai Firtha, Neven Pajkic und Kevin Johnson. Der Gypsy King kombiniert bärenstarke boxerische Leistungen immer wieder mit Mätzchen und grenzwertigen Psychospielchen. Doch gegen Kevin Johnson liefert der Brite die disziplinierteste Leistung seiner bisherigen Karriere ab. Dies alles ebnet den Weg für Furys Debüt in den USA, gegen keinen geringeren als den zweifachen Weltmeister im Cruisergewicht Steve Cunningham. Und dieser Kampf wird Furys härtester Test bis dato.
STEVE CUNNINGHAM
Fury bezeichnet das Gefecht mit dem Amerikaner Cunningham selbst als eines der drei härtesten seiner Karriere. Der Kampf findet im Mekka des Boxens statt, dem Madison Square Garden in New York. Mittlerweile wird der Gypsy King von seinem Onkel Peter Fury trainiert, der aber wegen vergangener Straftaten nicht in die USA einreisen darf. Er fehlt in der Ringecke. Fury heizt den Kampf mit heftigem Trash Talk an: This is a three hit fight. First i hit Steve, then Steve hits the campus and then Tyson Fury hits New York.
Der 36-jährige Cunningham ist erst vor kurzem in die höchste Gewichtsklasse des Profiboxens aufgestiegen und kommt mit einer umstrittenen Punktniederlage gegen den Polen Tomasz Adamek und dem Willen es allen zu beweisen in den Kampf gegen den Gypsy King. Und der 1,91 Meter große Amerikaner lässt sich nicht lange bitten. In der zweiten Runde trifft er Fury schwer mit einer rechten Geraden und der Engländer testet das zweite Mal in seiner Karriere den Ringboden. Dieser Niederschlag ändert Furys Einstellung zum Kampf komplett. Während er in den ersten beiden Runden mit extrem viel Trash-Talk und Faxen beschäftigt ist, legt er den Schalter komplett um und gewinnt schließlich mit einem heftigen Aufwärtshaken durch K.O in Runde sieben. Cunningham ist sichtlich angeschlagen und verliert das erste Mal in seiner Karriere vorzeitig. Fury hingegen gewinnt mit seinem Charisma viele Fans in den USA ist nach diesem Titel-Eliminator kurz vor seinem großen Ziel: Ein Duell mit dem amtierenden linearen Weltmeister Wladimir Klitschko!
Fury versus Cunningham Ganzer Kampf
Fury versus Chisora Ganzer Kampf
Bartley Gorman Mini Dokumentation
WLADIMIR KLITSCHKO
Doch es dauert immer noch über zwei Jahre bis sich der Ukrainer seinem vermeintlich stärksten Herausforderer stellt. Fury besiegt in der Zwischenzeit unter anderem erneut Dereck Chisora und Christian Hammer. Ein mehrmals fest geplanter Kampf mit dem anderen großen britischen Schwergewichtler David Haye scheitert aufgrund von Verletzungen des Hayemakers.
Im November 2015 ist es endlich soweit. Klitschko und Fury treffen in der Esprit Arena in Düsseldorf vor 55.000 Zuschauern aufeinander. Fury ist bei den Buchmachern mit Vier-zu- Eins Außenseiter. Doch der Engländer ist der erste Gegner seit langem, der gegen Klitschko Größen- und Reichweitenvorteile hat. Und so bringt Fury eine boxerisch überragende Leistung in den Ring und dominiert den amtierenden Champion in allen Belangen. Fury landet 86 von 371 Schlägen, Klitschko nur 52 von 231. Bei den Power-Punches liegt der Brite mit 48 zu 18 in Front. Extrem viele Finten und sehr gute seitliche Bewegungen ziehen Klitschko den Zahn. Dazu findet der Ukrainer einfach kein Mittel gegen den extrem guten Jab des Engländers. Der Gypsy King wechselt dazu ständig die Auslage und lässt den zehn Jahre lange regierenden Weltmeister keinen offensiven Rhythmus finden. Von außen wirkt der Kampf langweilig, doch es ist einfach ein bis in die Perfektion umgesetzter Kampfplan von Tyson Fury. Klitschko wirkt den ganzen Kampf über verunsichert, was vermutlich auch an den heftigen Psychospielchen von Fury vor dem Kampf gelegen hat (vielleicht nicht wegen der Sauna-Story, sie ist trotzdem legendär).
Der Engländer beendet die drittlängste Regentschaft aller Zeiten im Schwergewicht (nur Joe Luis und Larry Holmes waren länger an der Spitze) und das in der Heimat des amtierenden Weltmeisters. Der Kampf wird später zum Upset des Jahres vom Ring Magazine gewählt. Der Gypsy King krönt sich zum ersten britischen Schwergewichtsweltmeister seit David Haye in 2010. Fury wird mit 27 Jahren ungeschlagener Champion im Schwergewicht und ist ganz oben angekommen. Was dann folgt ist wohl einer der tiefsten Abstürze, den die Boxwelt jemals gesehen hat.
Fury versus Klitschko Highlights
Fury schmettert ein Lied nach seinem Sieg
DER ABGRUND*
Im Juni 2016, gut ein halbes Jahr nach seinem größten Triumph sitzt Tyson Fury in einem nagelneuen Ferrari. Er rast mit knapp 260 km/h über die Autobahn. Doch es ist keine Spritztour, die der Weltmeister unternimmt. Fury ist mit dem festen Vorsatz losgefahren sich das Leben zu nehmen. Erst im letzten Moment hört er eine Stimme in seinem Kopf: Denk an deine Kinder, deine Frau, deine Familie! Er entscheidet sich anders und bleibt am Leben.
Der Schwergewichtschampion leidet unter einer schweren Depression. Den Rückkampf gegen Klitschko hat er bereits mehrfach abgesagt und sich dann vom Boxsport zurückgezogen. Die Zeichen sind bereits vor dem Klitschko-Kampf zu sehen. Emotionale Treffer wie den Tod seines Onkels und die Fehlgeburt seiner Frau hat Fury einfach beiseitegeschoben und weitertrainiert. So sehr ihm dieser Fokus im Ring hilft, so hoch ist der Preis den er dafür bezahlt. Die heftigen emotionalen Tiefschläge holen ihn nach dem Kampf knallhart ein und der Brite fällt in ein tiefes Loch. Extreme Panikattacken, absolute Lustlosigkeit und Alkoholexzesse sind an der Tagesordnung. In seinen heftigsten Phasen greift er sogar zu Kokain, eine Droge die gegen jede seiner Prinzipien und seiner Vorbildrolle als Vater verstößt. Selbst seine Ehe steht kurz vor dem Aus. Und diese dunkle Zeit dauert lange, erst im Oktober 2017 an Halloween sieht der charismatische Englänger Licht am Ende des Tunnels.
* Fury hat seine Depressionen in einer sehr empfehlenswerten Biografie „Behind the Mask“ verarbeitet. Findet Ihr überall wo es Bücher gibt.
DIE AUFERSTEHUNG
Tyson Fury hat ein peinliches Skelettkostüm angezogen. Er steht damit auf einer Halloween-Party und will sich mal wieder dem Alkohol hingeben. Doch plötzlich überkommt ihn eine Erkenntnis, eine tiefe Einsicht. Was zum Teufel machst du hier? Ist es soweit in deinem Leben gekommen? Fury fährt umgehend nach Hause, kniet sich vor den Spiegel und bittet Gott um Hilfe. Tränen kullern über sein Gesicht. Er trifft eine Entscheidung: Er will wieder Weltmeister im Schwergewicht werden. Am nächsten Tag ruft er den jungen britischen Boxtrainer Ben Davison an.
Wie Ben Davison sich die Sporen verdient hat, um in jungen Jahren der Boxtrainer von Tyson Fury zu werden, hätte wahrscheinlich einen eigenen Blog verdient. Im Sommer 2017 sitzen die beiden Männer in Marbella tagsüber in einem Strand Café. Als plötzlich zwei schöne Frauen auftauchten stellt Fury Davison vor eine Herausforderung: Hol dir die Handynummern und du wirst mich in Zukunft trainieren. Der Rest ist Geschichte.
Eine lange ketogene Diät, ein sieben wöchiges Trainingscamp in Marbella und unzählige Einheiten in Großbritannien später, steht der Gypsy King vor seinem Comeback-Kampf. Am 9. Juni 2018 trifft er in Manchester auf den Aufbau-Gegner Sefer Seferi. Ein lockerer Sieg in der vierten Runde. Zwei Monate später, Windsor Park. Der Gegner im Ring heißt Francesco Pianeta, doch der wahre Gegner sitzt im Publikum: WBC-Champion Deontay Wilder. Fury besiegt Pianeta sicher nach Punkten, Wilder steigt nach dem Kampf in den Ring und die Sache ist besiegelt.
Doch jetzt schon ein Kampf gegen Deontay Wilder? Den Bronze Bomber, der reihenweise Gegner krankenhausreif ausknockt? Tyson Furys Vater John ist so besorgt, dass er seinem Sohn mitteilt, sollte dieser zum jetzigen Zeitpunkt wirklich gegen Wilder kämpfen spräche er kein Wort mehr mit ihm. Und das Schweigegelübde sollte Realität werden.
Quelle: PremierBoxingChampions – Ryan Hafey
DEONTAY WILDER
Der 1. Dezember 2018 hat einen festen Platz in der Geschichte des Schwergewicht-Boxens. Für eine der legendärsten zwölften Runden aller Zeiten. Und für eines der größten Comebacks in der Boxgeschichte überhaupt. Deontay Wilder und Tyson Fury stehen sich tatsächlich in Los Angeles im Kampf um die Schwergewichts-Weltmeisterschaft der WBC gegenüber. Der Kampf ist mit viel Trash-Talk hochgepusht worden und der Bronze Bomber spürt den Druck im größten Kampf seiner Karriere. Wild jagt er Fury hinterher und versucht seine rechte Schlaghand anzubringen. Doch der Gypsy King ist nicht zu treffen, unglaubliche Beinarbeit und Bewegungen im Oberkörper lassen den Amerikaner verzweifeln. Gekonnt setzt er Richtungswechsel an den Seilen ein. Dazu kontert der Brite den WBC-Weltmeister immer wieder aufs Neue aus und setzt Treffer. Er provoziert Wilder mit ausgestreckter Zunge und Armen hinter dem Rücken. Vor der zwölften Runde kann es keine Zweifel geben wer hier nach Punkten deutlich vorne liegt. Doch in der letzten Runde wird Fury unvorsichtig, will Wilder ausknocken und liegt nach 35 Sekunden und einer heftigen Kombination im Ringstaub. Wilder fängt an zu feiern. Doch Fury schafft erneut das Unmögliche. Vor Ablauf der zehn Sekunden steht der Brite wieder und greift an. Soviel Herz hat man selten im Ring gesehen, auch von Wilder. Die Punktrichter werten den Kampf unentschieden, doch für die meisten Boxfans und auch Experten gibt es im Staples Center es nur einen Sieger: Den Gypsy King. Der Brite hat all seine Kritiker mit einer überragenden Leistung Lügen gestraft. Unabhängig vom Ergebnis hat Fury mit diesem Kampf eines der größten Comebacks der Schwergewichtsgeschichte vollbracht. Das nimmt ihm niemand mehr.
CLOWN ODER SCHWERGEWICHTSLEGENDE
Anders als nach dem Kampf gegen Klitschko fällt Fury nach dem spektakulären Gefecht mit Wilder nicht in eine Depression. Er unterzeichnet einen 100 Millionen Dollar Deal bei Top Rank und setzt sich das Ziel den amerikanischen Markt zu erobern. In 2019 hat er es zwar geschafft seine Popularität in Amerika zu vergrößern, vollendet sind seine Pläne aber noch lange nicht. Vor allem seine Gegnerauswahl mit den relativ unbekannten Boxern Tom Schwarz und Otto Wallin stoßen in der Boxszene auf große Kritik. Fury besiegt beide, erntet dafür aber wenig Lorbeeren und hat schlechte Einschaltquoten. Aus marketingtechnischer Sicht erfolgreicher war sein Auftritt im Wrestling bei der WWE. Ist Fury im vergangenen Jahr vom professionellen Boxer zum Showman geworden? Seine Leistungen in der Vergangenheit sprechen dagegen. Doch wie sieht es im Hier und Jetzt aus?
Am 22. Februar kämpft der Gypsy King erneut gegen Deontay Wilder im MGM Grand Hotel in Las Vegas**. Die Spannung vor dem Duell im Schwergewicht könnte nicht größer sein. Zwei ungeschlagene Champions, ein Boxer gegen den Puncher. Auch wenn ein dritter Kampf wohl vertraglich gesichert ist, wird sich der Sieger dieses Kampfes in die absoluten Höhen des Schwergewichts katapultieren. Wilder würde mit einem Sieg seinen Titel zum elften Mal verteidigen und die Weichen ganz klar Richtung Titelvereinigung stellen. Fury würde sich zum ersten Mal den WBC-Gürtel holen und zum zweiten Mal die aktuell längste Regentschaft im Schwergewicht beenden. Nach außen hin gibt sich Fury so fokussiert wie nie. Wenige Psychospielchen und Provokationen, ein top durchtrainierter Körper und ein neuer Trainer mit frischem Wind. Sein Wechsel von Ben Davison hin zum deutlich erfahreneren Javan Sugar Hill, der Neffe von Trainerlegende Emanuel Steward, scheint sich bezahlt zu machen. Dazu kommt, dass Tyson Fury in seinen wichtigen Kämpfen ausnahmslos abgeliefert hat. Seine hohe Boxintelligenz und sein vermeintlicher Sieg in 2018 machen Fury am 22. Februar zum Favoriten.
Doch wird er dieser Rolle gerecht werden?
Wie wird er auf eventuelle neue Taktiken Wilders reagieren?
Wird er wirklich versuchen gegen den gefährlichsten Puncher der jüngeren Boxgeschichte auf einen Knockout zu gehen?
Die Antworten auf all diese Fragen wird uns Tyson Luke Fury wie immer im Ring geben.
** Ihr könnt den Kampf aus Deutschland live auf DAZN sehen. Für alle Neukunden gibt es einen kostenlosen Probemonat.
Empfehlenswerte Mini Dokumentation über Tyson Fury
ROMAN HORSCHIG
Roman Horschig arbeitet mit absoluter Leidenschaft als Sportkommentator, Stadionsprecher und Moderator in ganz Deutschland. Mit seinem großen Enthusiasmus für den Sport macht er auch Ihr Event zu einem absoluten Erlebnis. Versprochen.
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